Klingt fast verboten, oder?
In einer Welt, in der überall „Good vibes only“ steht, wo Glück als Lebensziel verkauft wird und schlechte Laune sofort als „Energie-Problem“ gilt, fühlt es sich fast falsch an, einfach mal traurig, wütend oder leer zu sein.
Wir verraten dir etwas: Du musst nicht immer glücklich sein. Und es ist nicht dein Job, jeder Person beweisen zu müssen, wie glücklich du bist.
Toxische Positivität – wenn du dir selbst etwas vormachst
Dieses ständige „Alles ist gut“, „Ich denke nur positiv“, „Ich lasse keine schlechte Energie zu“ klingt im ersten Moment nach einer erstrebenswerten Eigenschaft – ist aber oft nichts anderes als Selbsttäuschung.
Denn positiv zu denken bedeutet nicht, negative Gefühle zu verdrängen. Echte Positivität heißt: Ich fühle alles – auch das Schwere – und entscheide mich trotzdem, daran nicht kaputtzugehen. Wenn du Schmerz, Frust oder Traurigkeit einfach übermalst, entsteht nicht automatisch Glück, sondern eher Druck. Und dieser Druck macht dich nicht resistenter – er macht dich müde.
Vielleicht kennst du das:
Du hattest einen schlechten Tag im Job, aber sagst: „Passt schon, ist ja alles gut. So schlimm ist es gar nicht.“ – obwohl du innerlich kurz vor dem Explodieren bist.
Eine Freundin hat dich verletzt und du denkst: „Ich will keinen Streit, so schlimm ist es nicht. Passt schon.“ – obwohl das Problem nach 5 Tagen immer noch an dir nagt und du vor dem Einschlafen nicht aufhören kannst darüber nachzudenken.
Oder du fühlst dich überfordert, aber lächelst auf der Familienfeier, weil du „nicht negativ auffallen“ willst. Du hast keine Lust auf Konfrontation.
All das sind kleine Momente, in denen du dich selbst verlässt, um nach außen „glücklich und zufrieden“ zu wirken und Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Warum wir gelernt haben, unsere Gefühle zu verstecken
Viele von uns sind keine geborenen „People Pleaser“. Wir sind dazu geworden. Oft ganz leise, ganz unbewusst – über Jahre.
Vielleicht bist du so aufgewachsen, dass Harmonie wichtiger war als Ehrlichkeit. Dass man „nicht streitet“, dass man „lieb ist“ und dass man lächelt, auch wenn einem nicht danach ist. Vielleicht hast du früh gelernt, dass du gemocht wirst, wenn du funktionierst und das du Teil von etwas sein wolltest, was dir im Endeffekt geschadet hat. Vielleicht wolltest du den Tag von anderen retten, aber nicht deinen eigenen.
Und irgendwann wurde daraus eine Art Lebenskonzept:
„Wenn es allen gut geht, gehts mir auch gut.“
Wer immer allen gefallen will, verliert irgendwann das Gespür dafür, was er selbst braucht.
Woher das oft kommt:
Wenn du als Kind gelernt hast, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist – z.B. dass du brav, fleißig oder fröhlich sein musstest, um Anerkennung zu bekommen.
Viele Kinder, die früh Verantwortung übernommen haben oder zwischen den Fronten standen, entwickeln eine starke Anpassungsfähigkeit. Sie wollen vermeiden, dass jemand traurig oder wütend ist – und stellen ihre eigenen Gefühle hinten an.
Abgesehen davon leben wir in einer Kultur, in der Stärke mit Kontrolle gleichgesetzt wird. Trauer, Angst oder Wut gelten schnell als Schwäche – also verstecken wir sie lieber.
Das ständige „Alles ist gut!“ kann zu einer Rüstung werden. Sie schützt dich davor, abgelehnt zu werden, vor Konflikten, vor der eigenen Verletzlichkeit. Aber sie schützt dich auch vor Tiefe. Und Tiefe ist das, was echte Beziehungen – zu anderen und zu dir selbst – überhaupt erst möglich macht. Der Unterschied zwischen echter Positivität und vorgespielter
„Alles ist super“ Ich bin total glücklich!“ Und du sagst es so oft, bis du es fast glaubst.
Echte Positivität:
„Heute war es schwer. Ich bin wirklich müde. Aber ich weiß, es geht wieder vorbei. Ich nehme die Herausforderung an.“ Echte Positvität hat Tiefe. Sie leugnet nicht, sie hält aus.
Manchmal ist der mutigste Satz, den du sagen kannst: „Heute gehts mir nicht gut“ und das ist okay.
Traurigkeit, Wut, Enttäuschung – sie sind keine Feinde, sondern Wegweiser. Sie zeigen dir, was dir wichtig ist, wo du Grenzen brauchst, was du verändern möchtest.
Wenn du lernst, sie zuzulassen, verlieren sie ihre Macht und wirken nicht überfordernd, weil du mit der Zeit weißt, wie du mit ihnen umgehen musst.
Unterdrückte Gefühle stauen sich. Gefühle, die du fühlst, fließen.
Fehler, Rückschläge, Chaos – willkommen im echten Leben
Nicht jeder Tag muss in der Instagram-Story geteilt werden. Nicht jede Emotion ist für andere nachvollziehbar. Manchmal geht einfach alles schief – und das darf so sein.
Im Rückblick merkt man oft:
Genau diese Phasen, die wehgetan haben, haben dich wachsen lassen. Manchmal war das „Nein“ der Weg zum richtigen „Ja“.
„Ein Leben voller Glück wäre langweilig.“ Klingt komisch, aber stell dir vor, wirklich alles läuft perfekt: Keine Fehler, keine Konflikte, keine Tränen. Nur Sonnenschein. Wie viel Tiefe, Nähe und Verbundenheit würde da fehlen?
Gerade die schwierigen Zeit verbinden uns und machen uns menschlich. Wenn man gegenseitig durch etwas geht, wenn man sich gegenseitig auffängt, wenn man lernt, ehrlich zu sein – da entsteht echte Nähe. Ein Leben ohne Herausforderungen wäre glatt, aber seelenlos.
Übrigens ist das Journaling das perfekte Tool, um Ehrlichkeit zu üben. Du konfrontierst dich mit ungefilterten Gedanken und wirst zunächst einmal ehrlich mit dir.




