Warum reicht es nicht, einfach zu sein?
„Wie kann ich noch mehr aus meinem Tag herausholen?"
Diese Frage höre ich immer häufiger - im Freundeskreis, auf Social Media, in Büchern über Selbstoptimierung. Es geht darum, die perfekte Balance zu finden: produktiv arbeiten, regelmäßig Sport treiben, sich gesund ernähren, Freundschaften pflegen, sich weiterentwickeln, genug schlafen, sich um den Haushalt kümmern und nebenbei vielleicht noch meditieren.
Alles muss effizient sein. Der Tag soll bis auf die Minute durchgetaktet werden, damit keine Zeit „verschwendet" wird. Morgens eine Stunde ins Gym, danach produktiv arbeiten, am Abend Freunde treffen - und wenn man dann erschöpft ins Bett fällt, wird man das Gefühl nicht los, dass man den Tag noch hätte besser nutzen können.
Aber warum ist das so? Warum reicht es nicht, einfach zu sein?
Die Illusion der Kontrolle
Hinter dem Optimierungswahn steckt oft das Gefühl, dass wir unser Leben besser im Griff haben, wenn wir jede Minute sinnvoll nutzen. Dass wir erfolgreicher, glücklicher und erfüllter sind, wenn wir jede Handlung perfektionieren.
„Wenn ich meine Ernährung noch weiter optimiere, werde ich mich besser fühlen." „Wenn ich eine bessere Morgenroutine entwickle, bin ich produktiver." „Wenn ich meinen Kalender perfektioniere, schaffe ich noch mehr." Das Problem? Es gibt immer eine neue Stellschraube, an der man drehen könnte. Und so wird Selbstoptimierung zu einer nie endenden To-do-Liste, die uns mehr stresst als befreit.
Beim Essen: Es reicht nicht, einfach nur zu essen. Es muss „clean" sein, proteinreich, mit der perfekten Makronährstoffverteilung - und am besten noch selbst gekocht.
Beim Sport: Eine Runde Joggen reicht nicht, es muss ein effizienter Trainingsplan sein, kombiniert mit Mobility-Übungen und idealem Muskelaufbau.
Beim Arbeiten: Es reicht nicht, einen guten Job zu machen. Man muss sich ständig weiterbilden, effizienter werden, Deadlines früher einhalten.
In der Freizeit: Entspannung? Nur, wenn sie produktiv ist - also ein Buch lesen, einen Podcast hören oder sich „sinnvoll" weiterentwickeln.

1. Weil es uns nie ankommen lässt
Es gibt immer noch etwas, das man optimieren könnte. Die perfekte Routine existiert nicht - und trotzdem jagen wir ihr hinterher. Das führt dazu, dass wir nie wirklich zufrieden sind, weil wir immer denken, wir könnten noch mehr aus uns herausholen.
2. Weil es mehr Druck als Freiheit schafft
Selbstoptimierung soll uns eigentlich helfen, ein besseres Leben zu führen.
Stattdessen macht sie das Leben oft komplizierter. Plötzlich fühlt sich Freizeit nicht mehr entspannt an, weil wir denken, dass wir sie sinnvoller nutzen könnten.
3. Weil wir verlernen, einfach nur zu sein
Wann hast du das letzte Mal einfach nur dagestanden und in den Himmel geschaut?
Wann hast du das letzte Mal ein Buch gelesen, ohne danach darüber nachzudenken, wie du das Gelernte in deinem Alltag umsetzen kannst?
Oft haben wir das Gefühl, dass ein Moment „verschwendet" ist, wenn er nicht produktiv war. Aber vielleicht liegt genau darin das Problem: Dass wir immer denken, etwas tun zu müssen, anstatt einfach zu leben.
Erkenne, dass du nicht jeden Moment optimieren musst Nicht jeder Kaffee muss „functional" sein. Nicht jede Minute muss maximal genutzt werden. Es ist okay, Dinge einfach nur zu tun, weil sie sich gut anfühlen - ohne sie auf Effizienz zu überprüfen.
Gönn dir Leerlauf - bewusst
Plane nicht nur To-dos in deinen Kalender, sondern auch Zeit fürs Nichtstun. Und dann halte dich auch wirklich daran.
Hinterfrage, warum du etwas optimieren willst Musst du wirklich um 5 Uhr morgens aufstehen, um noch mehr aus deinem Tag zu machen? Brauchst du wirklich einen 10-Schritte-Skincare-Plan? Oder jagst du nur einer Vorstellung hinterher, die dir sagt, dass du so glücklicher wirst?
Fazit: Das Leben ist nicht dazu da, optimiert zu werden Natürlich ist es gut, sich weiterzuentwickeln, Routinen zu haben und Dinge zu verbessern, die einem guttun. Aber wenn Selbstoptimierung zum Selbstzweck wird haben wir irgendwann keine Energie mehr, das Leben einfach zu genießen.
Manchmal ist das Beste, was wir tun können, nichts zu tun. Einfach nur zu sein. Und das Leben passieren zu lassen, anstatt es zu einem perfekten System zu machen.