Wenn du Sport machst, kennst du bestimmt das Gefühl, nach einem anstrengenden Lauf dich am liebsten ins Bett oder auf die Couch werfen zu wollen. Du hast all deine Energie der einen Aktivität gespendet und fühlst dich nun energielos. Aber dann erinnerst du dich daran, wie es sich anfühlt, einen Fortschritt zu spüren – und nach einigen Wochen fühlt sich der 8-km-Lauf plötzlich leichter an, fast so, als wärst du auf einem Marathon-Training. Du merkst: Der Schmerz und die Anstrengung haben sich gelohnt, weil du stärker geworden bist und deinem Ziel immer näher kommst.
Genauso ist es bei der inneren Heilung – nur ist sie kein Sprint, sondern ein Marathon. Das Training ist genauso hart, die Schmerzen genauso intensiv. Die Belohnung am Ende ist Freiheit. Ein klares Gewissen. Ein Leben, das nicht von alten Verletzungen und Ängsten bestimmt wird.
Heilung fühlt sich nicht gut an. Sie tut weh, sie verwirrt, sie bringt deine Welt ins Wanken – und sie zerstört manchmal das Bild, das du von dir selbst hast.
Stell dir vor, du merkst, dass eine Freundschaft, die du jahrelang gepflegt hast, dir eigentlich mehr Energie raubt als gibt. Dass du dich immer wieder verbiegst, nur um geliebt zu werden. Die Erkenntnis trifft dich wie ein Schlag. Plötzlich fühlt sich deine eigene Rolle in dieser Beziehung falsch an – und das tut weh. Es ist unangenehm, vielleicht sogar schmerzhaft, diese Wahrheit anzuerkennen. Du hast das Bild von dir als „gute Freundin“ verloren – und stehst vor einem inneren Marathon, der Durchhaltevermögen verlangt.
Oder denk an den Moment, in dem du realisierst, dass deine „starke Fassade“, mit der du immer durch den Alltag gekommen bist, eigentlich nur eine Schutzmauer ist, die dich davon abhält, wirklich gesehen zu werden. Diese Erkenntnis kann dich ins Wanken bringen. Du willst sie am liebsten ignorieren, weil du Angst hast, dass du dann nicht mehr „genug“ bist. Doch genau hier beginnt das lange, harte Training der Heilung.
Und ja, diese Phase fühlt sich an wie ein innerer Muskelkater, nur ohne die unmittelbare Belohnung eines kurzen Sprints. Es fühlt sich an, als würdest du in einem emotionalen Marathon laufen, der einfach nicht aufhört. Du hast vielleicht das Gefühl, dich selbst zu verlieren – aber tatsächlich findest du dich gerade neu.
Ein klassisches Beispiel aus dem Alltag: Du trennst dich von einer toxischen Beziehung. Anfangs fühlst du dich frei, aber gleichzeitig leer und verletzt. Du hast nicht nur den anderen verloren, sondern auch die Gewissheit, was dich ausmacht. Du zweifelst an dir, du vermisst, du hast Angst. Die Heilung hier fühlt sich grausam an. Niemand erzählt dir, dass du jetzt erst am Anfang eines langen Rennens stehst.
Doch dann, Kilometer für Kilometer, wirst du ruhiger. Du lernst, deine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Du merkst, wie du stärker wirst, wie du dir selbst wieder vertraust. Und plötzlich spürst du, dass all der Schmerz sich gelohnt hat – weil du dich selbst gefunden hast.
Wenn Heilung ein Marathon ist, dann ist Journaling wie dein persönliches Trainingstagebuch. Es hilft dir, den Überblick zu behalten, wenn die Strecke endlos scheint und du manchmal nicht weißt, ob du Fortschritte machst.
Indem du deine Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse regelmäßig aufschreibst, dokumentierst du deinen inneren Lauf. Du siehst schwarz auf weiß, wie weit du schon gekommen bist – auch an Tagen, an denen alles sich nach Stillstand oder Rückschritt anfühlt. Dieses Aufschreiben bringt Klarheit, macht das Unsichtbare sichtbar und hilft dir, deine Muster zu erkennen.
Vielleicht entdeckst du, dass der Schmerz, der heute so groß erscheint, morgen schon etwas weniger wird. Oder dass du eine bestimmte Angst langsam überwindest. So kannst du dir immer wieder bewusst machen: Du läufst nicht ins Leere, sondern baust Kraft auf. Das Journal wird zu deinem Begleiter, der dich motiviert und dir zeigt, dass jeder Schritt zählt – auch die kleinen.
Journaling ist kein Zaubertrick, der alles sofort heilt. Aber es ist ein kraftvolles Werkzeug, das dir dabei hilft, den Marathon der Heilung bewusster und leichter zu meistern. Ein paar Minuten täglich können schon einen großen Unterschied machen – weil du dir selbst Raum gibst, ehrlich zu sein und dich selbst zu verstehen.
Heilung ist also kein schneller Lauf, kein Sprint, kein Wellness-Wochenende, keine kuschelige Auszeit, sondern ein intensives Marathon-Training. Sie verlangt dir einiges ab, sie ist unbequem und manchmal zum Verzweifeln. Aber sie führt dich raus aus der Falle alter Muster und rein in ein Leben, das echt und frei ist.
Also ja, Heilung fühlt sich nicht gut an – und du darfst das auch laut sagen. Es darf weh tun. Es darf anstrengend sein. Aber mit der Zeit wird es leichter. Wenn du durchhältst, wartet auf der anderen Seite ein Geschenk, das all den Schmerz wert ist: du selbst – ganz neu.